Die Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) gehört weltweit zu den häufigsten Pigmentstörungen.

Was ist Vitiligo?

Obwohl die Vitiligo bereits vor 3500 Jahren beschrieben wurde, sind Unwissenheit und Vorurteile gegenüber der Weißfleckenkrankheit heute noch verbreitet. Vielleicht hast Du selbst auch schon Diskriminierungen aufgrund Deiner Erkrankung erlebt oder kennst jemanden, dem das passiert ist. Bevor wir der komplexen Hauterkrankung auf den Grund bzw. unter die Haut gehen, stellen wir daher die wichtigsten 3 Fakten zu Vitiligo voran, die jeder kennen sollte:
Vitiligo ist nicht ansteckend

Vitiligo ist kein kosmetisches Problem, sondern eine behandlungsbedürftige Erkrankung
Es gibt mittlerweile Möglichkeiten die Vitiligo zu behandeln

Hinter den weißen Flecken, die so typisch für die Vitiligo sind, verbirgt sich eine komplexe Erkrankung. Denn Vitiligo ist eine chronische Autoimmunerkrankung. Dabei zerstören Zellen des Immunsystems irrtümlich die Melanozyten und führen so zum Verlust des Hautpigments Melanin. Dies führt zu scharf begrenzten weißen Flecken auf der Haut, die je nach Hauttyp auch blassrosa sein können. Vitiligo wird daher auch als „Weißfleckenkrankheit“ bezeichnet.

Die sichtbaren Hautveränderungen sind nicht schmerzhaft, können aber eine massive Belastung darstellen und die Lebensqualität in vielen Bereichen beeinträchtigen. Zusätzlich können bei Vitiligo vermehrt weitere Autoimmunerkrankungen auftreten wie z. B. Schuppenflechte (Psoriasis) oder innere Erkrankungen wie z. B. Schilddrüsenerkrankungen (Thyreoiditis).

Vitiligo in Zahlen

0,5 – 1 %

0,5 – 1 % aller Menschen sind weltweit von Vitiligo betroffen.

85 %

85 % der Betroffenen haben eine nichtsegmentale Vitiligo und damit die häufigste Erscheinungsform.

15 – 20 %

15 – 20 % der Betroffenen mit einer nichtsegmentalen Vitiligo haben Verwandte, die auch an einer Vitiligo erkrankt sind.

~ 650.000

Ca. 650.000 Menschen sind in Deutschland von Vitiligo betroffen.

50/50

50/50 der Betroffenen sind jeweils männlich und weiblich.

Symptome der Vitiligo

Auftreten der ersten Vitiligo-Symptome

Vitiligo kann in jedem Lebensalter auftreten, die ersten Symptome beginnen aber meist vor dem 30. Lebensjahr.

15%

vor dem 10. Lebensjahr
Illustration von Menschenkette mit Veranschaulichung, dass bei 15 Prozent der Vitiligo Betroffenen vor dem 10. Lebensjahr die ersten Symptome auftreten

50%

vor dem 20. Lebensjahr

Illustration von Menschenkette mit Veranschaulichung, dass bei 50 Prozent der Vitiligo Betroffenen vor dem 20. Lebensjahr die ersten Symptome auftreten

70-80%

vor dem 30. Lebensjahr
Illustration von Menschenkette mit Veranschaulichung, dass bei 70 bis 80 Prozent der Vitiligo Betroffenen vor dem 30. Lebensjahr die ersten Symptome auftreten

Vitiligo tritt in verschiedenen Formen auf

Illustration von zwei Menschen mit nicht-segmentaler Vitiligo. Die Flecken breiten sich spiegelgleich auf beiden Körperseiten gleichermaßen aus.
Bei der nicht-segmentalen Vitiligo sind beide Körperhälften symmetrisch betroffen

Die mit 85 % häufigste Form der Vitiligo. Bei der nichtsegmentalen Vitiligo breiten sich die Flecken spiegelgleich (symmetrisch) auf beiden Körperseiten gleichermaßen aus. Die Flecken zeigen sich meist auf dem Gesicht, an den Ellenbogen, den Knievorderseiten sowie an Stellen, an denen sich Hautflächen berühren, wie z.B. Achselhöhlen, Bauchnabel, Finger und Zehen sowie in der Umgebung der Körperöffnungen.

Die segmentale Vitiligo (SV) ist deutlich seltener. Von der SV sind etwa 5 bis 16 Prozent aller Vitiligo-Patienten betroffen. Bei der segmentalen Vitiligo sind die depigmentierten Flecken in der Regel nur auf einer Körperseite zu finden. Die SV ist nach heutigem Wissensstand keine Autoimmunerkrankung. Sie schreitet anfangs meist schneller voran als die NSV, kommt aber dann häufig innerhalb eines Jahres zum Stillstand.

Gemischte Vitiligo und Sonderformen treten noch seltener auf als die SV. Sie stellen eine Kombination aus NSV und SV dar oder betreffen ausschließlich einzelne Areale wie z. B. stark behaarte Hautbereiche.

Ursachen der Vitiligo

Die Vitiligo ist eine komplexe Erkrankung, deren Auslöser noch nicht vollständig geklärt sind. Eine Kombination aus Veranlagung, Umwelteinflüssen und körpereigenen Störungen gilt als wahrscheinlich. Bei der Entstehung der nichtsegmentalen Vitiligo spielt Dein Immunsystem eine entscheidende Rolle.

Faktoren, die an der Entstehung der Vitiligo beteiligt sind

Genetische Faktoren

5 – 20 % der Betroffenen haben Verwandte, die ebenfalls an Vitiligo erkrankt sind.

Einflüsse von außen

Physikalischer Stress: Äußerliche Verletzungen und Entzündungen z. B. durch einen Sonnenbrand, Reibungen etwa durch Brillenbügel oder Stöße und Schnittwunden können die Entstehung und Zunahme der Pigmentzerstörung fördern.

Weniger widerstandsfähige Melanozyten

Die Melanozyten von Vitiligo-Patienten sind weniger widerstandsfähig gegen schädliche Umwelteinflüsse. In der Forschung geht man davon aus, dass Melanozyten durch einen Auslöser geschädigt werden („Melanozytenstress“) und dieser Vorgang eine Entzündungsreaktion auslöst. Durch die Entzündungsreaktion werden T-Zellen aktiviert, die die Melanozyten angreifen und zerstören.

Vom Melanozytenstress zur chronischen Entzündung

Bei der nichtsegmentalen Vitiligo setzt der so genannte Melanozytenstress einen Entzündungsprozess in der Haut in Gang. Dieser Vorgang führt schließlich zur vollständigen Depigmentierung der betroffenen Hautareale.
Illustration des Entzündungsprozesses bei der nicht-segmentalen Vitiligo. Melanozytenstress in der Haut setzt sich in Gang und führt zur Depigmentierung der betroffenen Hautareale.
Illustration Entzündungsablauf

Entzündungsablauf bei der nichtsegmentalen Vitiligo

Durch den Melanozytenstress alarmiert, aktiviert das Immunsystem T-Zellen, die spezifisch auf Melanozyten geprägt sind. Die T-Zellen setzen den Entzündungsbotenstoff Interferon-gamma ( IFN-Ɣ) frei.

Interferon-gamma ( IFN-Ɣ) verbindet sich mit seinem Rezeptor in den Keratinozyten, den Hautzellen der Oberhaut. Dies löst den JAK-STAT-Signalweg aus. Die Januskinase- Enzyme JAK 1 und JAK 2 werden dadurch stimuliert und produzieren Signaleiweiße. Diese bewirken, dass T-Zellen vermehrt in die Haut einwandern. Ein Teufelskreis beginnt: T-Zellen produzieren  IFN-Ɣ, welches über den JAK-STAT-Signalweg die Signaleiweiße aktiviert und daraufhin neue T-Zellen anlockt. Die Depigmentierung schreitet voran.

Ein weiterer Entzündungsbotenstoff, das Interleukin 15 (IL-15) sorgt dafür, dass sich in den depigmentierten Hautstellen T-Gedächtniszellen ansiedeln. Dadurch wird das Entzündungsgeschehen aufrechterhalten und verhindert, dass neue Melanozyten in das Hautareal einwandern können.

Krankheits­­verlauf und Schübe

Der Verlauf einer Weißfleckenkrankheit ist individuell sehr unterschiedlich und lässt sich meist nicht vorhersagen. Wie viele andere Autoimmunkrankheiten auch, verläuft die Vitiligo in Phasen. Manchmal bleibt die Krankheit über längere Zeit stabil. Dann gibt es wieder Phasen von wenigen Wochen oder Monaten, in denen die Depigmentierung schnell voranschreitet. Typisch für diese Schübe ist die graduelle Ausbreitung bereits existierender Flecken.
Kriterien für die Stabilität einer Vitiligo sind nicht einheitlich definiert. Die Leitlinie Diagnostik und Therapie der Vitiligo nennt einen Zeitraum von 6 Monaten bis 3 Jahren, in dem …

Von einem Schub spricht man, wenn innerhalb der letzten 3 Monate neue depigmentierte Hautareale auftreten oder bestehende Flecken, medizinisch Läsionen genannt, deutlich an Größe zunehmen.

Einen Vitiligo-Schub erkennen

Bei hellen Hauttypen lassen sich anfängliche Schübe nicht immer mit dem bloßen Auge erkennen. Der Hautarzt setzt dann – wie auch bei der Erstdiagnostik – eine so genannte Wood-Lampe ein. Mit dem ultravioletten Licht lässt sich die fehlende Pigmentierung selbst sehr heller Haut und damit das Ausmaß der Schübe gut darstellen. Auch die Beleuchtung mit UVA-Licht oder „Schwarzlicht” verbessert bei ausgeschalteter Raumbeleuchtung die Sichtbarkeit der Flecken.

Zeichen der Krankheitsaktivität bei Vitiligo

Abbildungen erstellt mit KI Unterstützung: Konfetti-Läsionen
Konfetti-Läsionen

Gruppierte Depigmentierungs­flecken

Erscheinungsbild Grad III: Viele dichte Punkte (Konfetti-Muster)

Abbildungen erstellt mit KI Unterstützung: Köbner-Phänomen
Köbner-Phänomen

Neue Flecken nach Hautverletzung/-reizung

Erscheinungsbild Grad III: Scharf begrenzte Flecken und einzelne Linien

Abbildungen erstellt mit KI Unterstützung: Trichrom-Läsionen
Trichrom- Läsionen

„3 Farben“- Läsionen

Erscheinungsbild Grad III: Normale, depigmentierte und dazwischenliegende weniger depigmentierte Haut

Außerdem sind Rötungen und Schuppenbildung am Rand bestehender Flecken ein Hinweis auf eine Krankheitsaktivität bei Vitiligo.

Was ist das Köbner-Phänomen?

Das Köbner-Phänomen beschreibt das Auftreten neuer Vitiligo-Flecken an zuvor nicht betroffener Haut nach einer Reizung oder Verletzung. Dieser Reizeffekt nimmt innerhalb der Anzeichen einer Krankheitsaktivität eine Sonderstellung ein. Er gibt zum einen Auskunft über den Stand der Krankheit und z. T. auch deren Prognose. Darüber hinaus wurde bei Kindern beobachtet, dass die Entwicklung ihrer Vitiligo in Zusammenhang mit einer Verletzung oder einem Sonnenbrand stand.
Beispiele für Verletzungen/Reizungen, die zum Köbner-Phänomen führen können:
Das Köbner-Phänomen trifft nicht bei jedem Vitiligo-Betroffenen auf. Studien sprechen von 21% bis 62% Vitiligo Patienten, bei denen der Reizeffekt beobachtet wurde.

Vitiligo-Trigger erkennen

Vitiligo- Schübe werden häufig durch sogenannte Triggerfaktoren ausgelöst.

Diese Faktoren können Vitiligo verschlechtern:

Psychischer Stress

Studien und Erfahrungsberichte zeigen: Starker seelischer Stress kann einen neuen Vitiligo-Schub auslösen oder bestehende Flecken verschlechtern. Zwar berichten viele Betroffene von einem generell erhöhten Stressempfinden, doch akute Verschlechterungen treten meist nach belastenden Lebensereignissen auf – etwa bei Trauer, finanziellen Sorgen oder beruflichem Druck. Mehr zu Stressmanagement bei Vitiligo

Hautverletzungen

Bereits kleinere Verletzungen wie Kratzer, Schnitte oder Sonnenbrand können neue Flecken auslösen, insbesondere bei Patienten, die vom Köbner-Phänomen betroffen sind (siehe oben).

Hormonelle Veränderungen

Phasen hormoneller Umstellungen – etwa in der Pubertät, Schwangerschaft, Stillzeit oder den Wechseljahren – werden in Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Vitiligo diskutiert. Ein klarer wissenschaftlicher Nachweis fehlt bislang. Insbesondere beim weiblichen Sexualhormon Östrogen sind die Studienergebnisse widersprüchlich. In der Schwangerschaft berichten einige Frauen sogar von einer vorübergehenden Besserung. In anderen Fällen scheint Stress in dieser Lebensphase eine größere Rolle zu spielen als die hormonelle Veränderung selbst.

Medikamente

Einige lichtsensibilisierende Medikamente stehen im Verdacht, Vitiligo zu verschlechtern. Es ist daher sinnvoll, mit dem behandelnden Arzt alle Medikamente durchzugehen, die regelmäßig eingenommen werden.

DE/VI/NP/25/0071

Vitiligo und mögliche Begleiterkrankungen

Die nichtsegmentale Vitiligo ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich das eigene Immunsystem gegen körpereigenes Gewebe richtet. Dabei besteht das Risiko, dass sich diese Reaktion des Immunsystems auf weitere körpereigene Gewebe ausweitet. So können in Zusammenhang mit der nichtsegmentalen Vitiligo z. B. weitere Autoimmunerkrankungen wie eine atopische Dermatitis, eine Schuppenflechte oder ein autoimmun bedingter kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata) auftreten. Etwa 7,6 % der Menschen mit einer nichtsegmentalen Vitiligo entwickeln gleichzeitig auch eine Psoriasis.

Auch autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis wurden bei NSV-Patienten vermehrt diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, die behandelt werden muss. Morbus Hashimoto tritt bei 6 – 11 % der NSV-Patienten auf. Bei unklaren Beschwerden solltest Du daher beim jeweiligen Facharzt Deine Vitiligo erwähnen, falls der Arzt dies nicht von sich aus anspricht.

Bestätigt sich die Diagnose einer NSV wird Dein behandelnder Arzt Blutuntersuchungen veranlassen, um Erkrankungen wie eine Schilddrüsenfunktionsstörung auszuschließen.

Mögliche Autoimmun-Erkrankungen in Zusammenhang mit einer nichtsegmentalen Vitiligo

Illustration einer Frau, die sich wegen Schuppenflechte am Arm kratzt (Psoriasis), als mögliche Autoimmun-Erkrankung im Zusammenhang mit einer nichtsegmentalen Vitiligo.
Schuppenflechte

(Psoriasis)

Illustration einer Frau mit Schmerzen bei der Schilddrüse (Morbus Hashimoto), als mögliche Autoimmun-Erkrankung im Zusammenhang mit einer nichtsegmentalen Vitiligo.
Schilddrüsen Erkrankungen

(Morbus Hashimoto)

Illustration einer Frau mit kreisrundem Haarausfall (Alopecia areata), als mögliche Autoimmun-Erkrankung im Zusammenhang mit einer nichtsegmentalen Vitiligo.
Kreisrunder Haarausfall

(Alopecia areata)